Wertschätzung

Better for us

Unternehmen
11.05.2022

Gerhard Hinterkörner will den emotionalen Klimawandel. Seine Firma „Tante Fanny“ hat er verkauft, jetzt wird alles better for us.
Gerhard Hinterkörner,  Entrepreneur

„Viele haben mich ja für verrückt gehalten, als ich die Tante Fanny verkauft habe“, sagt Gerhard Hinterkörner, „ich weiß heute, dass das absolut richtig war. Es ist einfach total befriedigend, etwas aufzubauen und es dann auch wieder ziehen zu lassen. So wie jetzt bei meinem 17-jährigen Sohn. Da sollte man auch loslassen.“
Wer loslässt, hat die Hände frei, sagt ein chinesisches Sprichwort und Gerhard Hinterkörner zeigt, dass auch Kopf und Seele frei werden. Er hat ein erfolgreiches Unternehmen verkauft, um sich selbst neu zu erfinden und etwas zu tun, was „better for us“ ist. Unter diesem Titel entsteht eine Plattform zur Förderung von Empathie und zukunftstauglichen Produkten. Verdienen will er nichts damit. „Ich habe meinen Lebensunterhalt schon verdient“, sagt er. Jetzt will er das Leben der zukünftigen Generationen besser machen. Entstanden ist die Idee nach und nach, geboren aus mangelnder Wertschätzung im Wirtschaftsleben.

Viele haben mich ja für verrückt ­gehalten, als ich die Tante ­Fanny verkauft habe.

Gerhard Hinterkörner, Entrepreneur

Hinterkörner hat im Jahr 1999 Tante Fanny gegründet, als er erkannte, dass es niemanden gab, der ein Spezialist für Frischteige ist. Der erste Abnehmer der produzierten Blätterteige war der Lebensmittelgroßhändler Kastner, der das Produkt im Waldviertel an kleine Einzelhändler ausgeliefert hat. Es folgte der übliche Spießrutenlauf beim Einkauf des Lebensmittelhandels, aber die Kund*innen haben das Produkt geliebt und schätzen es noch heute. „Ich habe später so oft gehört, wie dankbar mir die Leute sind; ich hätte das Leben von Hunderttausenden Hausfrauen erleichtert“, lacht Hinterkörner. Und doch mussten nach genau zwanzig Jahren Gerhard Hinterkörner und seine Tante Fanny getrennte Wege gehen. „Die Kultur bei vielen Organisationen und Lieferanten hat mich irritiert“, sagt der Lebensmittelfachmann. Zum Beispiel darf das schöne Wort „Danke“ offenbar in der Wirtschaft nicht verwendet werden, stellte er fest. Da gäbe es eine große Zahl an Menschen, die sich für absolut nichts bedanken können. „Die dürfen das Wort offenbar nicht verwenden, das ist verboten“, wundert er sich. „Ich dachte immer, wir können doch alle genauso erfolgreich sein, wenn wir empathischer miteinander umgehen. Das kostet dasselbe Geld und macht mehr Spaß.“ Genau das wollte Hinterkörner: mehr Empathie, mehr Spaß. „Ich spürte, die Zeit war gekommen, mich neu zu erfinden“, sagt er, „und ich gehe da jetzt raus und leiste meinen Beitrag für eine empathischere Gesellschaft.“

Neue Fragen, neue Aufgabe
Das war im Jahr 2019 auch dem Zeitgeist geschuldet. Viele Jahre lang sind immer wieder dieselben paar Fragen an das Unternehmen gestellt worden. Gibt es die Tante Fanny wirklich? Fragen zu Rezepten und Haltbarkeit. Und plötzlich änderten sich die Fragen. Plötzlich ging es etwa um den Anteil von Palmöl in den Produkten, Nachhaltigkeitsfragen poppten auf. „Wir haben es dann wirklich geschafft, einige Produkte frei von Palmöl zu machen und fast ausschließlich heimische Rohstoffe zu verwenden“, beschreibt Hinterkröner die Nachhaltigkeitsbestrebungen. Der Wind hatte sich gedreht und es war Rückenwind für ihn, auszusteigen und es irgendwie anders zu machen. „Die Welt retten wollte ich nicht“, sagt er. Er ist erst einmal in seinen Fitnesskeller gegangen und hat seine neu erlangte Freizeit genossen. Während des Trainings hat er viel ferngesehen. Und abends Bücher gelesen. „Es gibt so viele tolle Information, an die man im Management vor lauter Arbeit nicht herankommt“, sagt er. Also begann er, die Infos in kurzen, knackigen Texten und Videos aufzubereiten und hat diese Executive Summaries auf einer Plattform angeboten. Recht schnell haben sich dort 400 Unternehmen gefunden, die das Service gegen eine geringe Jahresgebühr in Anspruch genommen haben.
„Meine Absicht, weniger zu arbeiten, ist grandios gescheitert“, lacht der Entrepreneur, denn er fand sich sehr schnell in der Rolle eines umtriebigen Redakteurs. „Ich will Impulse für neues Denken geben, weil nur daraus neues Handeln entsteht“, sagt er und stellte sich zunehmend die Frage: „Was ist denn besser für uns alle?“ Welches Wissen und welche Entscheidungen braucht es, damit alle glücklich sind – Konsument*innen und Unternehmer*innen? Kaum hatte er sich mit seinen Wissensimpulsen etabliert, kam der erste Lockdown. Da hat er die Mitgliedsbetriebe seiner Plattform in einem Online-Meeting zusammengerufen und gefragt, was denn jetzt zu tun wäre. Diejenigen Mitglieder, die vor einer schwierigen Situation standen, fanden Rettung. Da wurde plötzlich mehr Wein und Salami gekauft als die notleidenden Mitglieder überhaupt hatten und die Logistik ermöglichte. „Das Schöne daran war, dass das alles absichtslos war. Niemand hat jemals gefragt: ,Was habe ich davon?‘“ Solidarität ist also definitiv besser für uns alle.

Sehnsucht nach Wertschätzung befriedigen
Jetzt launcht Hinterkörner eine Webseite mit dem Titel „better for us“, wo er Produkte, Ideen und Dienstleistungen von unterschiedlichen Anbietern sammelt und bereitstellt. Grundkriterium: Diese Angebote müssen „better for us“ sein. Sein Lieblingsprojekt ist derzeit „Achtung! Wertschätzungszone“. Die Leute hätten eine tiefe Sehnsucht nach Wertschätzung, so Hinterkörner, diese Atmosphäre der Wertschätzung bekommt ein Icon und die Firmen bekommen Anziehungskraft. Die brauchen sie auch bei bestehenden und neuen Mitarbeiter*innen. „Ich will den emotionalen Klimawandel“, sagt er und damit das gelingt, will er die Plattform „better for us“ bekannt machen. Die Präsentations- und Vermittlungsplattform von „guten“ Angeboten soll Kraft und Aufmerksamkeit bekommen. Und natürlich Wertschätzung. Zugleich lädt er Unternehmen ein, einen finanziellen solidarischen Beitrag zu leisten, weil das alles eben better for us wäre. Dann könne er auch leichten Herzens Anfragen von Schulen bedienen, die bereits wegen Vorträgen und Aktivitäten zur Wertschätzungszone anfragen. Verdienen will er selbst nichts damit. Er wünscht sich eine schwarze Null. Viel wichtiger ist ihm: „Ich will mit der Plattform die Bekanntheit und das Standing von Greenpeace erreichen“, sagt er. Das, was Greenpeace für die Umwelt ist, möge „better for us“ für die Empathie sein.