Inspiration

Wenn das Personalmanagement ans Gemeinwohl denkt

Werte statt Zahlen: Common Good Human Resources Management (HRM) ist ein Zukunftsmodell für verantwortungsvolle Unternehmen. Michael Müller-Camen, von der WU Executive Academy, und Bodo Janssen, CEO von Upstalsboom, analysieren, wie sich Human Resources erfolgreich in der Praxis transformieren lässt.

Im 21. Jahrhundert ist es für Unternehmen nicht mehr genug, profitabel zu wirtschaften – sie müssen sich auch ihrer Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt stellen. ESG-Kriterien, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, aber auch die eigene Kundschaft fordern von ihnen ein Umdenken. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Personalabteilung zu.


Common Good HRM – Personalmanagement neu gedacht

Michael Müller-Camen, wissenschaftlicher Leiter des Kurzprogramms People & Culture Management der WU Executive Academy und Vorstand des Instituts für Personalmanagement an der WU Wien, untersucht in einem aktuellen Forschungsprojekt, wie Personalmanagement aussehen kann, das sich konsequent an der Gemeinwohlökonomie orientiert. Sein Begriff dafür: Common Good HRM – ein Ansatz, der weit über klassische HR hinausgeht und die Organisation als Ganzes transformieren will.

Portrait von Müller-Camen im Büro wie er spricht.
Müller-Camen © WU Executive Academy

„Common Good HRM geht mit einem Outside-Inside-Ansatz einher: Gesellschaftliche Herausforderungen wie soziale Ungleichheit oder Umweltzerstörung führen dazu, dass Unternehmen intern Lösungen dafür entwickeln.“ Michael Müller-Camen

Der Übergang zur Gemeinwohlorientierung wirft einige zentralen Fragen auf: Wie kann HR konkret dazu beitragen, gesellschaftlichen Nutzen zu stiften? Und wie lassen sich diese Werte glaubwürdig in der Unternehmenskultur verankern?

Mindful Leadership als Basis

Die Friesische Hotelkette Upstalsboom lebt seit rund 15 Jahren diesen Ansatz. CEO Bodo Janssen stellte das Unternehmen nach der Übernahme auf Effizienz und Profitorientierung um – mit großem wirtschaftlichem Erfolg, aber schwacher interner Bilanz. Eine Mitarbeitendenbefragung fiel für ihn vernichtend aus. Janssen zog sich daraufhin in ein Kloster zurück und lernte dort das Konzept des „Mindful Leadership“. Diese Erkenntnisse führten zu einer tiefgreifenden Transformation bei Upstalsboom.

Heute stehen Sinnorientierung, Selbstverantwortung und eine offene Kommunikations- und Lernkultur im Zentrum der Unternehmensführung. Die Transformation geht inzwischen noch weiter: Geschäftsmodell und Hotelkonzepte werden radikal an den Prinzipien der Gemeinwohlökonomie ausgerichtet.

CEO Bodo Janssen sitzt an einem Tisch und spricht.
Bodo Janssen © WU Executive Academy

„Ein Luxushotel mit Infinity-Pool direkt an der Nordsee passt nicht mehr zu unserem zukünftigen Ansatz.“ Bodo Janssen

Wie das Unternehmen mitteilt, sollen alle neuen Hotelprojekte künftig konsequent am Unternehmenszweck orientiert werden. Ein erstes sogenanntes „Hotel für Zeit in Stille“ ist bereits durch den Umbau eines bestehenden Luxushotels entstanden. Weitere Luxushotels im Bestand sollen umgestaltet oder an neue Träger*innen übergeben werden. Für das künftige Produktportfolio unter dem Namen „Upstalsboom 2.0“ plant das Unternehmen sogenannte „Andersorte“, bei denen Schlichtheit, Achtsamkeit und Innenschau im Fokus stehen.

So funktioniert Common Good HRM

Wie aber können die Werte für eine Gemeinwohlorientierung auch in der Unternehmenskultur und gegenüber und mit der Belegschaft umgesetzt werden? Müller-Camen und Janssen skizzieren, wie Common Good HRM in der Theorie und Führungspraxis aussehen kann.

„Arbeit wird in solchen Unternehmen als Ort persönlicher Entwicklung und gesellschaftlicher Wirksamkeit verstanden.“ Michael Müller-Camen

1. Sinnorientiertes Personalmanagement

Wenn der gesellschaftliche Beitrag eines Unternehmens ins Zentrum rückt, verändert sich auch die Rolle der HR. Nicht nur wirtschaftliche Kennzahlen, sondern auch die Bedürfnissen von Mitarbeitenden, Lieferant*innen und Kund*innen werden mit einbezogen. Upstalsboom verzichte beispielsweise auf klassische Quartalsziele und fokussiere sich stattdessen auf gemeinschaftlichen Sinn, wie Janssen erklärt. Unternehmenswerte werden regelmäßig überprüft und von allen Mitarbeitenden gemeinsam mitgestaltet.

Der Purpose Claim von Upstalsboom lautet „Menschen stärken“ – und der ist wörtlich gemeint. Bodo Janssen nimmt seine Auszubildenden mit auf Expeditionen zum Kilimandscharo oder Südpol, um persönliche Entwicklung zu fördern.

2. Employee Wellbeing

Was, wenn Mitarbeitende zu Feierabend den Arbeitsplatz gesünder verlassen als morgens? Janssen hat sich die gesunde Produktivität seiner Mitarbeitenden als Ziel gesetzt, denn: Wenn sich Menschen sozial, mental und körperlich in der Arbeit wohl fühlen, arbeiten sie auch gern – und warum sollten Arbeitgeber das nicht wollen? Dazu gehöre, dass sie ihre Stärken und Interessen einsetzen können und ihre Jobs sinnorientiert selbst kreieren und verändern können. Der Koch eines Hotels war beispielsweise unglücklich, weil er Zahlen mehr liebte als Kochen – er ließ sich auf Unternehmenskosten zum Buchhalter umschulen.

Wenn es um die Gesundheit von Mitarbeitenden geht, hat Janssen einen neuen Weg eingeschlagen: Er sieht die Verantwortung bei den Unternehmen, ein internes Gesundheitssystem aufzubauen und in Gesundheitsprävention zu investieren. Upstalsboom hat mit dem „Vitalogikum“ ein Präventionskonzept auf Basis der Salutogenese ins Leben gerufen. Es umfasst nicht nur medizinische Checks, sondern auch eine gesunde Unternehmenskultur mit wertschätzender Kommunikation.

3. Ernstgemeinte Partizipation und Selbstführung

Der zweite Teil des Claims nach „Menschen stärken“ lautet bei Upstalsboom „Verantwortung übernehmen“- nämlich für das eigenen Handeln in der Arbeit. Das Ziel: Mitarbeitende gehen abends aufrechter nach Hause als sie morgens gekommen sind.

„Nicht, weil ich als Führungskraft sie aufgerichtet habe, sondern weil sie gelernt haben, sich selbst aufzurichten. Die einzige Legitimation für Führung ist die Selbstführung als Ziel.“ Bodo Janssen

Die Rolle der Führungskraft ist also, die Mitarbeitenden in der Selbstführung und im persönlichen Wachstum zu stärken. Vertrauen statt Kontrolle und eine Stärkung der Selbstverantwortung der Mitarbeitenden statt Anweisungen von oben. Eine Vertrauenskultur sei das Fundament für Common Good HRM.

„Unternehmen ohne Vertrauen riskieren eine Angst- oder Misstrauenskultur, in der Veränderungen aus Angst vor negativen Konsequenzen gebremst werden.“ Michael Müller-Camen

Fazit

Nicht jedes Unternehmen kann oder muss den Weg von Upstalsboom in dieser Konsequenz gehen. Doch gerade inhabergeführte Betriebe hätten laut Müller-Camen gute Voraussetzungen für gemeinwohlorientiertes HRM. Und auch wenn die Forschung noch am Anfang steht, liefert sie bereits jetzt eine wichtige Grundlage für die HR-Arbeit der Zukunft.

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