So fördern Sie den Ideenreichtum in Ihrem Unternehmen
Viele Unternehmen müssen sich neu erfinden, um im Wirtschaftsleben der Zukunft eine Rolle zu spielen. Hierfür brauchen sie frische, kühne, unverbrauchte Ideen. Dies erfordert wohlwollendes Experimentieren und eine ermutigende Kommunikation. Doch mit nur einer einzigen falschen Bemerkung ersticken Führungskräfte die Eigeninitiative ihrer Mitarbeitenden oft schon im Keim.

„Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt“, so der knappe Kommentar eines Geschäftsführers im Bereichsleitermeeting. Die junge Marketingleiterin, erstklassige Ausbildung und internationale Erfahrung, hatte sich tief in ein Projekt reingekniet, weit über ihre Arbeitszeit hinaus recherchiert, Profis hinzugezogen, eine brillante Lösung gefunden und eine Top-Präsentation hingelegt. Mit genau sieben Worten fegte dieses Alphatier, ein Alleinherrscher alten Stils, ihre monatelange Arbeit vom Tisch.
Dabei sollte er wissen: Wird ein Individuum für schöpferische Leistungen scharf kritisiert oder werden seine Einfälle ständig abgewiesen, entsteht ein Phänomen, das als „Kreativitätskränkung“ bekannt ist: Die Neugier erlischt und man zieht sich zurück. Von sensiblen Mitarbeitenden bekommen wir, wenn sie nur ein einziges Mal heftig angegriffen und (öffentlich) heruntergemacht wurden, nie mehr Ideen. Sie sind wie Blumen, die schnell verwelken, sobald man sie knickt.
Im Neuland gibt es keine Erfolgsgarantie
Wer die Zukunft erreichen will, braucht ständig gute neue Ideen – von Menschen, die außergewöhnliche Dinge denken und tun: Aus-der-Reihe-Tänzer*innen, Um-die-Ecke-Denker*innen, Übermorgengestalter*innen. Unternehmen, die die „Ideenfunken“ solcher Freigeister einfallsreich nutzen, machen sich spannend – und damit begehrlich. Man kann gar nicht genug verrückte Ideen haben, um seine Kunden immer wieder neu zu betören.
Mitarbeitende geben ihre Ideen aber nur dann preis, wenn sie glauben, dass diese Wertschätzung erfahren. Und wenn man ihnen „psychologische Sicherheit“ gibt: den geschützten Raum einer fehlertoleranten Experimentierkultur. Denn Fehler sind der Preis für Evolution und Innovation. Fehler machen bedeutet: Üben, um siegen zu lernen. Mit einer solchen Einstellung können bahnbrechende Erfolge gelingen.
Selbst die beste Idee ist anfangs gefährdet
Gute Ideen sind sehr zerbrechlich und werden leicht totgetrampelt. Ihnen und ihren Schöpfer*innen weht oft eine steife Brise entgegen, weil sie sich gegen Bremser*innen, Bewahrer*innen und Geht-nicht-Sager*innen zur Wehr setzen müssen. Jede Veränderung umfasst ja Chancen und Risiken, sie setzt sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen frei. Sie erfordert zunächst Einsicht, dann loslassenden Abschied von lieb gewonnenen Routinen und schließlich Aufgeschlossenheit für Neues. Dies liegt aber noch lange nicht jedem.
Wie kommt es überhaupt, dass sich die Bedenkenträger*innen oft so breit machen können? Die Harvard-Professorin und Kreativitätsforscherin Teresa Amabile hat dazu verschiedene Experimente gemacht. Sie kam zu dem Schluss, dass man Kritiker*innen vielfach ein spitzfindigeres Urteilsvermögen zuschreibt. „Schwarzseher erscheinen leicht als scharfsinnig und weitsichtig, während positive Äußerungen schnell als naiv abgetan werden“, sagt sie. Ferner werden die potenziellen Risiken, die die Zukunft bringt, oft überbewertet. Die „guten, alten Zeiten“ hingegen werden verklärt.
Schutzengel für Weiterdenker*innen benötigt
Sondieren Sie zunächst einmal per einfacher Strichliste: Wie oft reden wir denn hier über das, was nicht funktioniert? Und wie viel läuft denn wirklich schief? Wie oft ist eine gute Idee denn tatsächlich misslungen? Um wie viel besser ist die Konkurrenz denn effektiv? Oder hat sie vielleicht nur die Beschäftigten mit der besseren Einstellung? Kein*e Sportler*in würde ständig von seinen*ihren Misserfolgen erzählen, wenn er*sie zum nächsten Sieg eilen will. Ganz im Gegenteil: Er*Sie führt sich seine größten Triumphe vor Augen.
Also: Beugen Sie vor! Installieren Sie dazu in ihren Meetings die Rolle eines „Ideenadvokaten“. Dieser hat nach der Vorstellung einer Idee immer das erste Wort. Er findet zunächst das Gute darin und gibt ihr so eine Überlebenschance. Dazu muss er eine eingehende Begründung liefern, Worte wie „super“ oder „klasse“ oder „hilfreich“ allein reichen nicht aus. Nun sind zumindest schon mal zwei Personen im Raum dafür, und der*die Initiator*in erhält die so dringend benötigte Rückendeckung.
Die eigene Kommunikation optimieren
Führungskräften ist oft gar nicht bewusst, welch katastrophale Folgen schon eine einzige falsche Bemerkung haben kann und wie leicht es ist, Eigeninitiativen im Keim zu ersticken. Mitarbeitende, die durch eine erschütternde Wortwahl an der Seele verletzt worden sind, kosten die Unternehmen viel Geld. Und manchmal sogar die Existenz.
Zudem ist es in tradierten Organisationen vielfach auch heute noch so: Sobald die Ideenproduzent*innen einem*einer Höhergestellten gegenübersitzen, „verwandeln sich die kühnen Bilderstürmer in ehrfürchtige Bittsteller“, so Managementdenker Gary Hamel. Plötzlich trauen sie sich fast gar nichts mehr. Mit folgenden Worten kann man sie ermuntern:
- Die Idee klingt vielversprechend. Welche wichtige Frage dazu habe ich Ihnen noch nicht gestellt?
- Ich sehe Ihnen doch an, dass Sie etwas auf dem Herzen haben/das es wo brennt. Also raus damit!
- Wie können wir sinnvoll testen, ob Ihre Idee funktioniert? Welchen ersten Schritt empfehlen Sie?
Selbst solch ein Hauch von Ermunterung bringt bisweilen Großes in Gang.
Wenn eine Idee tatsächlich nicht passt
Wie geht eine Führungskraft aber damit um, wenn Ideen kommen, die derzeit oder überhaupt nicht umsetzbar sind? Zum Beispiel so:
- Ich weiß, Sie haben viele Ideen, was man hier besser machen kann. Das schätze ich sehr. Im Moment wollen wir uns allerdings darauf konzentrieren, dass … Welches ist die beste Idee, die dazu passen könnte?
- Ich sehe, dass Sie sich sehr viele Gedanken gemacht haben. Leider erkenne ich dafür im Moment keine realistischen Chancen, weil … Vielleicht steckt aber etwas darin, was an anderer Stelle passt. Sehen Sie da was?
- Das klingt zunächst interessant. Auf den ersten Blick … Bei genauerem Hinsehen stellt sich mir allerdings folgende Frage: … Ich wäre Ihnen ehrlich gesagt äußerst dankbar, wenn wir das zurückstellen könnten.
Wenn Sie unsicher sind, wie Sie das bei einzelnen Mitarbeitenden am besten sagen sollen, dann fragen Sie sie doch einfach im Rahmen eines Erwartungsgesprächs, wie sie sich den Umgang damit wünschen. Bringen Sie im Zuge dessen auch klar zum Ausdruck, wie Sie sich idealerweise das Vorgehen des Mitarbeitenden in diesem Punkt wünschen. Wurde beides klipp und klar ausgesprochen, können Sie sich immer darauf berufen.
Das Buch zum Thema
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