Unternehmensführung

Lohntransparenz als Prüfstein der Unternehmenskultur

Martina Ernst
12.11.2025

Vorsprung durch Offenheit: Die neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz fordert Unternehmen heraus – und bietet zugleich eine Chance, Fairness als Teil der Kultur zu verankern.

Mit der neuen EU-Richtlinie zur Lohntransparenz wird Vergütung zum Gradmesser für Fairness und Unternehmenskultur. Was bislang oft hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde, muss künftig nachvollziehbar dokumentiert und erklärt werden. Für Unternehmen bedeutet das nicht nur zusätzliche Arbeit, sondern auch die Chance, Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu stärken. Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen, Gehaltsstrukturen offenzulegen und den Gender Pay Gap transparent zu machen. Dazu gehören eine klare Rollenarchitektur, nachvollziehbare Kriterien für Gehaltsentwicklungen und eine objektive Bewertung gleichwertiger Tätigkeiten.
Damit geht es nicht allein um Compliance, sondern um die grundlegende Frage, wie Vergütung im Unternehmen verstanden und gelebt wird. Führungskräfte müssen neue Gesprächsformen entwickeln, Mitarbeitende lernen, die Logik hinter Gehältern nachzuvollziehen, und das Top-Management ist gefordert, den Kulturwandel aktiv zu gestalten.

Fairness hat viele Dimensionen

Auch wenn die Richtlinie den Gender Pay Gap in den Mittelpunkt stellt, ist die Reichweite deutlich größer. Ungleichbehandlung betrifft auch Teilzeitkräfte, Mitarbeitende mit Betreuungspflichten, Ältere oder Menschen mit Migrationshintergrund. Unternehmen, die den Anspruch auf Fairness ernst nehmen, müssen alle diese Perspektiven berücksichtigen.
Gleichzeitig zeigt die Praxis, wie sensibel das Thema ist. Sobald Zahlen offenliegen, entstehen Fragen, Vergleiche und Forderungen. Umso wichtiger sind transparente Regeln, objektive Kriterien und eine klare Sprache im Umgang mit Gehaltsthemen.

Transparenz als Wettbewerbsvorteil

Die Einführung von Transparenz kann kurzfristig Kosten verursachen, wenn Gehälter angepasst oder neue Bandbreiten in Stellenanzeigen kommuniziert werden müssen. Langfristig jedoch profitieren Unternehmen auf mehreren Ebenen:

  • Vertrauen und Bindung: Mitarbeitende verstehen, wie Gehalt entsteht, und fühlen sich fair behandelt.
  • Struktur und Steuerung: Klare Regeln verhindern willkürliche Einzelentscheidungen und schaffen Planbarkeit.
  • Attraktivität am Arbeitsmarkt: Wer Transparenz glaubwürdig lebt, gewinnt Talente, die Fairness erwarten und gezielt danach suchen.

Kulturarbeit statt Zahlenprojekt

Die EU-Richtlinie verändert nicht nur Prozesse, sondern fordert Unternehmen heraus, ihre Haltung zu Vergütung sichtbar zu machen. Es geht um die Glaubwürdigkeit von Fairness, um Vertrauen in Führungskräfte und um die Fähigkeit, eine konsistente Kultur zu schaffen. Wer diesen Schritt bewusst geht, stärkt die Organisation weit über das Thema Gehalt hinaus.


Die Autorin

Martina Ernst
Martina Ernst (C) WU Executive Academy

Martina Ernst ist People & Culture Profi, Unternehmerin und akademische Leiterin an der WU Executive Academy. Mit ihrer internationalen Erfahrung als Personalchefin, Geschäftsführerin und Aufsichtsratsvorsitzende unterstützt sie mit ihrer Firma FairEqualSolutions Berufstätige und Unternehmen auf dem Weg zu fairer und gleichwertiger Vergütung im Einklang mit der Unternehmenskultur.

EU-Richtlinie zur Lohntransparenz

Die EU-Richtlinie (EU) 2023/970 soll den Gender Pay Gap verringern. Unternehmen werden verpflichtet, Gehaltsstrukturen offenzulegen und faire, nachvollziehbare Kriterien für Vergütung und Aufstieg zu schaffen.

Zeitplan:

  • Verabschiedung: Mai 2023
  • Inkrafttreten auf EU-Ebene: Juni 2023
  • Umsetzung in nationales Recht: bis 7. Juni 2026
  • Erste Berichtspflichten je nach Unternehmensgröße gestaffelt ab Juni 2027

Pflichten nach Unternehmensgröße:

  • Ab 250 Mitarbeitenden: Gender-Pay-Gap-Bericht jährlich ab Juni 2027
  • Ab 150 Mitarbeitenden: Berichtspflicht ab Juni 2031
  • Ab 100 Mitarbeitenden: Berichtspflicht ab Juni 2035

Weitere Anforderungen (unabhängig von der Größe):

  • Angabe von Gehaltsspannen in Stellenanzeigen
  • Auskunftspflicht zu Einstiegsgehältern und Gehaltskriterien für Bewerbende
  • Verbot von Benachteiligung bei Gehaltstransparenz unter Mitarbeitenden
  • Verpflichtung zu objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien für Gehaltsentwicklung

Rechtliche Konsequenzen:

  • Umkehr der Beweislast bei Klagen
  • Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu Sanktionen bei Verstößen

Handlungsempfehlung für Unternehmen:

  • Aufbau transparenter und dokumentierter Gehaltsstrukturen
  • Schulung von Führungskräften
  • Vorbereitung interner Prozesse für Berichtspflichten ab 2027

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
logo

Newsletter abonnieren

Sichern Sie sich Ihren Wissensvorsprung vor allen anderen in der Branche und bleiben Sie mit unserem Newsletter bestens informiert.


Zum Newsletter