Bilanz der Zukunft.HR 2025
Bei der ausverkauften Zukunft.HR am 10. und 11. September im Stift St. Florian diskutierten 450 Interessierte gemeinsam mit Expert*innen, wie Kultur und Führung die Arbeitswelt zukunftsfähig gestalten. Den HR-Kongress organisiert hatte die Abteilung Human Capital Management der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria.


Warum sind skandinavische Unternehmen glücklicher? Was weiß ein Pilot über Leadership? Lachen wir in fünf Jahren über die heutige KI? Und was hat ein Pudding mit Organisationskultur zu tun? Fragen wie diese standen im Mittelpunkt der Zukunft.HR.
„Vielleicht haben wir einen Nerv getroffen. Es ist nicht selbstverständlich, sich zwei volle Tage Zeit zu nehmen, um über Leadership und Unternehmenskultur nachzudenken. Aber möglicherweise ist jetzt der richtige Moment dafür. Wir leben in bewegten Zeiten – und es gibt keinen Grund zu glauben, dass es in den nächsten Monaten oder Jahren ruhiger wird. Führung wird weiterhin gefordert sein, Veränderung zu begleiten. Denn nichts prägt Kultur so stark wie Führung – gerade in Phasen des Umbruchs“, betonte Business Upper Austria Geschäftsführer Werner Pamminger.
„Quartalskapitalismus ist der größte Feind der Zukunft“
Trendforscher Marcel Aberle zeigte, wie Unternehmen Zukunft aktiv gestalten können. Entscheidend sei, worauf wir den Fokus legen: auf Probleme oder auf Möglichkeiten. Eine Organisation müsse sich auch im Klaren sein, in welcher Phase sie sich befindet – Innovation, Wachstum, Bewahrung bzw. Konsolidierung oder Konfusion. „Jede Phase braucht andere Menschen. Manager für Effizienz, Leader für Visionen. Führungskräfte müssen Orientierung geben und gemeinsam mit dem Team neue Wege entwickeln. Heute arbeiten Chefinnen und Chefs für den Erfolg ihrer Teams, nicht mehr umgekehrt“, erklärte Aberle. Der Trendforscher plädierte außerdem für mehr strategische Voraussicht statt Börsenkurzfristigkeit: „Quartalskapitalismus ist der größte Feind der Zukunft.“ Unternehmen sollen sich aktiv mit möglichen Szenarien auseinandersetzen – nicht um die Zukunft vorherzusagen, sondern um sie greifbar zu machen.
„Besser als viele Erwachsene“

Wie rasant sich künstliche Intelligenz entwickelt hat, veranschaulichte Gernot Winter von der Superintelligenz. „Innerhalb von fünf Jahren ist KI von ‚schlechter als ein kleines Kind‘ zu ‚besser als viele Erwachsene‘ geworden“, sagte Winter. Mit Blick in die Zukunft ergänzte er: „In den nächsten fünf Jahren werden wir über das, was wir heute KI nennen, lachen.“ Die Folgen für den Arbeitsmarkt seien gravierend. Laut Umfragen werden dann 49 Prozent der heutigen Fähigkeiten nicht mehr gebraucht. Winter appellierte: „Es braucht entsprechende Kompetenzen. Ihre Mitarbeitenden nutzen KI – ob Sie es erlaubt haben oder nicht. Sie müssen das steuern.“ Auch Ingrid Heschl von Microsoft Österreich rückte die KI-Kompetenzen in den Vordergrund und unterstrich: „Technologie verändert sich laufend.“ Aber: „Der Sinn der Arbeit bleibt. KI soll zur Mission beitragen und Mittel zum Zweck sein. Die Technologie soll uns unterstützen, deswegen heißt es auch ‚Copilot‘, nicht Autopilot.“
„Jenseits des Mainstreams“

Kein KI-Pilot, sondern ein echter fesselte das Publikum mit seiner Geschichte. Philip Keil bewahrte als junger unerfahrener Co-Pilot ein Flugzeug vor dem Absturz, indem er eine mutige Entscheidung traf. Er ging in den kontrollierten Sturzflug und zog die Nase erst wieder hoch, als er wieder Auftrieb an den Tragflächen spürte – knapp über dem Boden. Mit dem Vertrauen in sich selbst handelte er nach der goldenen Regel im Cockpit: „Fly the aircraft – fliege dieses Flugzeug!“ Dieser Regel war auch Chesley „Sully“ Sullenberger 2009 gefolgt, als er sich nach der Kollision mit einem Vogelschwarm für eine Notwasserung im New Yorker Hudson River entschied. Den Führungskräften riet Philip Keil: „Hören Sie auf Ihren inneren Kompass und treffen Sie mutige Entscheidungen – auch jenseits des Mainstreams. Erwarten Sie aber dafür keinen Applaus. Denn Führung heißt: Verantwortung für sich und andere übernehmen und sich angreifbar machen. Gleichzeitig ist Führung ein Privileg – das Privileg, Dinge mitzugestalten.“
„Das zu tun, was man liebt“

Maike van den Boom nahm das Publikum mit in den Norden Europas. Skandinavien ist Vorreiter bei Digitalisierung, Innovation und glücklichen Mitarbeiter*innen. Was dahinter steckt? Vertrauen, Sinn und echte Anteilnahme. Das zeigt sich in verschiedenen Fakten: Väter nehmen im Schnitt fünf Monate Elternzeit. Meetings starten mit der Frage: „Wie ist dein Energielevel?“ Der Hintergedanke: Glückliche Menschen sind leistungsfähiger, seltener krank und bessere Markenbotschafter*innen. „Erfolg heißt nicht, besser zu sein als andere, sondern das zu tun, was man liebt“, erzählte van den Boom. Das System basiert auf Kooperation, nicht auf Konkurrenz. Hinterfragen und lebenslanges Lernen sind selbstverständlich. Wissen gilt als Voraussetzung für Verantwortung, Vertrauen als „nordisches Gold“. Und: „Vorstellungsgespräche drehen sich um das Potenzial und die Werte der Bewerberinnen und Bewerber, nicht um Lebensläufe“, ergänzte van den Boom.
„Den Pudding an die Wand nageln“

„Wer die eigene Organisationskultur verstehen will, muss den Pudding an die Wand nageln“, so die These von Judith Muster von Metaplan. Die promovierte Soziologin ging auf die drei Seiten der Organisationskultur ein: Auf der Schauseite stellt sich das Unternehmen offiziell dar, beispielsweise auf Websites. Regeln, Prozesse oder auch Stellenausschreibungen sind auf der formalen Seite untergebracht. Über die informale und für sie interessanteste Seite sagte Muster: „Hier finden wir alle Erwartungen sowie Handlungen, die sich im Schatten der formalen Organisation eingeschlichen haben – also die Unternehmenskultur.“ Deswegen sei sie auch so schwer zu begreifen. Musters Empfehlung: „Wenn Sie im Unternehmen etwas ändern möchten, müssen Sie formale und informale Seite klar trennen. Fragen Sie sich dennoch, was auf der informalen Seite passiert, wenn Sie in die formale eingreifen.“ Das Wichtigste: „Gute Organisationen entlasten Menschen, anstatt sie für Probleme verantwortlich zu machen.“
„Verbindung schaffen, gemeinsam führen“

Wolfgang Spitzenberger von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und Franz Auinger von Inovato berichteten aus der Praxis über Wandel in der Führungskultur. „Wir wollten weg von hierarchisch geprägter Fachexpertise und hin zu Leadership mit Entscheidungsfreiraum“, erzählte Spitzenberger, der außerdem betonte: „Führung ist weniger Technik. Führung heute heißt, Widerspruch aushalten, Verbindung schaffen, gemeinsam führen.“ Im Hinblick auf den Transformationsprozess hob Auinger vor allem eines hervor: „Es geht nicht um die Methode, sondern um Mut – Mut zu Entscheidungen, aber auch Korrekturen.“
„Mit Flexicurity und der 3/24-Methode Lösungen für alle Probleme“

Genetiker Markus Hengstschläger zeigte auf, was uns beim Lösen von Problemen blockiert: „Wir machen meistens das, was alle machen. Denn wenn es alle machen, kann es nicht verkehrt sein.“ Oder doch? Geht es nach Hengstschläger ist es wichtig, dass wir uns vorbereiten und dabei den Unterschied erkennen, ob künftige Ereignisse vorhersehbar sind oder nicht. Seine Strategie für Lösungen: Flexicurity – eine Wortschöpfung aus Flexibility und Security. Dabei geht es um die Flexibilität, sich auf unvorhergesehene Herausforderungen einzustellen, sowie um stabile Rahmenbedingungen, die auf prognostizierbare Entwicklungen vorbereiten. Hengstschläger ist außerdem ein Verfechter der 3/24-Methode (drei Lösungsvorschläge in 24 Stunden). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden so selbst Lösungen, bevor sie die Führungskraft um Hilfe bitten. Er blieb aber realistisch: „Ich kann nicht garantieren, dass wir mit Flexicurity und der 3/24-Methode Lösungen für alle Probleme finden. Aber wenn wir nichts tun, finden wir sicher keine.“
„An den Grundpfeilern der Unternehmen zu arbeiten“
In 24 Parallelsessions behandelten die 450 Teilnehmer*innen ein breites Themenspektrum – von Fehlerkultur über Diversität bis hin zur digitalen Transformation. „In den Keynotes und Sessions haben wir wieder gesehen, wie wichtig es ist, an den Grundpfeilern der Unternehmen zu arbeiten, an Kultur und Leadership. Wir haben uns viele wichtige Ansätze ins Bewusstsein geholt und aus Best-Practice-Beispielen gelernt. Es sind inspirierende Anregungen, die wir uns für unsere tägliche Arbeit mitnehmen können“, fasste Manfred Luger, Leiter der Abteilung Human Capital Management bei Business Upper Austria und Veranstalter der Zukunft.HR, zusammen. Er nutzte die Gelegenheit, zur Zukunft.HR 2026 einzuladen, die sich mit dem Thema Haltung beschäftigen wird. Sie wird voraussichtlich Mitte September 2026 wieder im Stift St. Florian stattfinden.
Die Zukunft.HR ist Teil einer Veranstaltungsreihe, die sich über das Jahr hinweg mit der Transformation in verschiedenen Branchen beschäftigt. Den Startschuss gab das Zukunftsforum am 8. April, gefolgt von der Zukunft.Mobilität im Juni. „Mit dem neuen Konzept schaffen wir eine Struktur, mit der wir Unternehmen in Oberösterreich auf ihrem Weg in die Zukunft begleiten. Wir wollen die Zukunft gestalten, nicht nur passieren lassen“, erklärte Werner Pamminger. Als nächstes am Programm steht am 22. Oktober die Zukunft.Digitalisierung mit dem Fokus „Zuverlässig und sicher: Aufbruch ins KI-Zeitalter“.