80 Jahre Wirtschaftsverlag

Alles nur Kopfsache

Zum 80-jährigen Jubiläum des Wirtschaftsverlags sprechen wir mit dem Selbstmanagement-Experten Thomas Mangold über eines der drängendsten Themen unserer Zeit: Wie können Unternehmer mit dem „richtigen“ Mindset den wirtschaftlichen Aufschwung vorantreiben? Ein Gespräch über Bedrohungen, Katastrophen und die Kraft des angstfreien unternehmerischen Denkens.

Österreichs Unternehmer stehen unter Strom. Klimawandel, KI, Lieferengpässe, Fachkräftemangel – kein Tag ohne neue Risiken. Die Folge: Zukunftsangst. Genau dagegen hat Thomas Mangold ein Rezept. Im Interview erklärt er, wie Unternehmer gedankliche Katastrophen stoppen – und den Blick wieder auf Chancen richten.

Wirtschaftsverlag: Herr Mangold, der Wirtschaftsverlag wird 80 Jahre alt – ein stolzes Alter, von Wirtschaftswunder bis Dotcom-Crash – wir haben das alles erlebt. Heute hört man aus der Unternehmerschaft aber immer öfter ein neues Wort: Zukunftsangst. Wie erklären Sie sich das?
Thomas Mangold: Zunächst einmal: Alles Gute zum Jubiläum! Es stimmt: Das Wort „Zukunftsangst“ ist mittlerweile in aller Munde – dabei traut sich kaum jemand, es offen auszusprechen. Ein Bekannter hat es neulich in einem Café direkt gesagt: „Ich habe Zukunftsangst.“ Dieser Satz hat mich beschäftigt. Denn das trifft den Kern: Wir fürchten das Unbekannte. Wir fürchten, die Kontrolle zu verlieren, zu scheitern, überrollt zu werden. Und das ist kein persönliches Versagen – es ist menschlich. Unser Gehirn ist nicht auf Unsicherheit programmiert. Es sucht nach Stabilität, nach Mustern, nach Vorhersagbarkeit. Wenn diese fehlt, schaltet der Körper in Alarmzustand. Schlagworte wie Klimakrise, Pleite, Automatisierung oder KI befeuern diese Unsicherheit. Die äußeren Reize lösen innere Unruhe aus.

Und doch könnte man sagen: Unternehmer müssten diese Dynamik doch gewohnt sein – Krisen gehören zum Geschäft. Warum trifft es gerade sie so stark?
Unternehmer bewegen sich naturgemäß in einer Risikozone. Aber sie leben oft mit dem Anspruch, alles im Griff zu haben. Diese Kontrollillusion ist gefährlich. Denn das Leben – und erst recht das Unternehmertum – findet eben nicht in der Komfortzone statt, sondern in der Lernzone. Dort ist nichts garantiert. Und das erzeugt Stress. Dazu kommt: Medien und soziale Netzwerke verstärken die Angst. Negative Schlagzeilen verkaufen sich besser. Algorithmen spielen uns die schlimmsten Szenarien in Dauerschleife vor. Das wirkt wie ein Dauerfeuer auf unser Nervensystem. Menschen, die ohnehin permanent entscheiden müssen, werden dadurch zusätzlich verunsichert.

Sie unterscheiden zwischen realer Bedrohung und gedanklicher Katastrophe. Was heißt das konkret?
Eine reale Bedrohung ist konkret, greifbar, sie passiert jetzt. Ein Kunde springt ab. Eine Finanzierung platzt. Ein Gesetz tritt morgen in Kraft. Das ist Handlungsebene. Gedankliche Katastrophen hingegen entstehen im Kopf. „Was, wenn mein Geschäftsmodell überholt ist?“ – „Was, wenn die nächste Krise kommt und mich trifft?“ Das sind Hypothesen. Sie existieren nur im Gedankenraum, nicht in der Wirklichkeit. Diese Unterscheidung ist entscheidend. Denn viele Unternehmer investieren enorme Energie in Eventualitäten, statt sich um das zu kümmern, was real ist und heute gelöst werden muss. Das ist ineffizient – und zermürbend.

Was sind die häufigsten Denkfehler, die Sie bei Unternehmern beobachten?
Da gibt es einige Klassiker: Erstens das Katastrophisieren – also das reflexhafte Ausmalen des Worst-Case-Szenarios, das dann plötzlich als das wahrscheinlichste erscheint.
Zweitens das sogenannte Gedankenlesen: „Die Kunden werden denken, wir sind unfähig.“ – obwohl das keiner gesagt hat.
Drittens das Schwarz-Weiß-Denken. Entweder völliger Erfolg oder Totalpleite. Dabei findet das Leben meist in Graustufen statt – auch der geschäftliche Alltag.
Und viertens: Übergeneralisierung. Ein Fehlschlag wird automatisch als Signal für das große Scheitern gewertet. Diese gedanklichen Muster wirken subtil – aber sie blockieren Innovationskraft, Entscheidungen und letztlich Wachstum.

Wer das Wesentliche nicht aus dem Blick verliert, übersteht auch Stürme. Die Zukunft gehört nicht denen, die sich einigeln, sondern denen, die gestalten.
Thomas Mangold

Das klingt einleuchtend. Aber wie kann man diese Spirale durchbrechen?
Indem man den Gedanken aus dem Kopf holt. Schreiben Sie alles auf – ohne Zensur. Dann teilen Sie das Geschriebene in zwei Spalten: Fakten links, Annahmen rechts. Und dann stellen Sie sich eine simple Frage: Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario? Und was spricht dagegen? Im zweiten Schritt geht’s um Einfluss. Was liegt in Ihrer Hand? Was nicht? Was lässt sich heute verändern? Unternehmer müssen sich auf ihre Handlungssphäre fokussieren – nicht auf das große Weltgeschehen, das sie sowieso nicht steuern können.

Welche Denkwerkzeuge empfehlen Sie konkret?
Ich arbeite gerne mit Reframing-Fragen. Drei sind besonders wirksam: Was ist das realistisch Schlimmste – und wie gehe ich damit um? Diese Frage entzaubert die Angst, weil sie ins Handeln führt. Ein Beispiel: Angst vor einem Blackout. Man bereitet sich vor. Kerzen, Kurbelradio, Wasserkanister – fünf Minuten Aufwand, aber das Gedankenkarussell stoppt.
Zweitens: Was habe ich in der Vergangenheit schon alles geschafft – trotz Unsicherheit? Unternehmer sind meist zäher, als sie glauben. Diese Rückschau aktiviert Stolz und Selbstvertrauen.
Und drittens: Wer oder was könnte mir helfen, wenn es ernst wird? Wir sind nicht allein. Netzwerke, Partner, Förderungen – oft übersehen wir unsere Ressourcen.

80 Jahre Verlagsgeschichte haben uns gezeigt: Es geht weiter. Was lehrt uns der Langzeitblick?
Dass Resilienz keine Theorie ist, sondern Praxis. Ihr Verlag hat sich angepasst, fokussiert, transformiert. Trotz Kriege, Krisen und Veränderungen. Die Botschaft: Die meiste Zeit ist eben keine Krise – auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Wer das Wesentliche nicht aus dem Blick verliert, übersteht auch Stürme. Und: Die Zukunft gehört nicht denen, die sich einigeln, sondern denen, die gestalten.

Sie plädieren für Gegenwartsbewusstsein. Wie hilft das in der Unternehmensführung?
Angst ist ein Kopfkino – kein realer Zustand. Wer sich auf das Hier und Jetzt konzentriert, entzieht der Angst die Bühne. Das geht mit einfachen Mitteln: Atemübungen, kurze gedankliche Anker, fokussiertes Arbeiten. Achtsamkeit ist kein Wellness-Tool – sie ist ein geschäftskritisches Instrument.

Haben Sie konkrete Tipps für unsere Leser*Innen?
Denken Sie daran: Man kann immer etwas tun. Das beginnt mit kleinen Taten. Eine klare Entscheidung. Eine unangenehme E-Mail, die endlich rausgeht. Ein Mitarbeitergespräch, das nicht aufgeschoben wird. Ich empfehle zudem ein Erfolgsjournal: Jeden Tag notieren, was gelungen ist. Nicht nur die großen Brocken – auch kleine Fortschritte. Das ändert die innere Haltung nachhaltig!

Zum Schluss: Was ist Ihre zentrale Botschaft an Österreichs Unternehmer*innen?
Angst ist kein guter Ratgeber. Sie lähmt, vernebelt, verengt. Was Unternehmer jetzt brauchen, ist Klarheit, Mut – und ein Bewusstsein für das, was sie tatsächlich beeinflussen können. Mit dieser Haltung navigieren wir besser – auch durch stürmische Zeiten. Dazu ein Satz, der mich begleitet: „Gedanken sind wie Wolken – du musst nicht jeder folgen.“


Zur Person

Thomas Mangold
Thomas Mangold ©Mangold

Thomas Mangold ist Autor, Speaker, Trainer und Experte für Selbst­management.
Weitere Informationen unter
www.selbst-management.biz

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