Ein Gewinn für alle

Nachhaltigkeit
17.03.2019

Von: Alexandra Adler
Geschlechtergleichstellung wird oft mit Quoten für Vorstände und Aufsichtsräte großer Unternehmen verbunden. Wie aber können KMU an der Gleichstellung mitwirken und warum sollten sie das?

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen lädt staatliche und wirtschaftliche Akteure ein, sich an nachhaltiger Entwicklung zu beteiligen. Das fünfte der 17 Ziele will „Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen“. Doch wie steht es darum? Tatsächlich sind Frauen in der Geschäftsführung der 200 größten Unternehmen mit nur 7,2 % vertreten und die Lohnschere in der Privatwirtschaft beträgt durchschnittlich 21,7 %, wie ein Blick in den Gender Index 2017 zeigt. Gehaltseinbußen betragen zehn Jahre nach dem ersten Kind 51 % gegenüber der kinderlosen Zeit davor, Männer erleiden hingegen keinen Einkommensverlust durch Vaterschaft. Dafür kommt es vor, dass Väter schikaniert werden, wenn sie in Elternteilzeit gehen wollen. Davon weiß zum Beispiel Daniel Schieber (Name geändert) zu berichten, der sein Kind auch unter der Woche betreuen wollte: „Das Drama begann, als ich in Elternteilzeit gegangen bin. Mein Vorgesetzter hat mir gesagt, das wirst du bereuen“, so der ehemalige Mitarbeiter eines Großunternehmens. Versetzung, ein unangenehmer Arbeitsplatz und Spott folgten. Nach drei Jahren kündigte er, ein Verfahren wegen Diskriminierung aufgrund des Familienstands ist anhängig.

„WOMEN ARE DOING THEIR PART. NOW COMPANIES NEED TO DO THEIR PART, TOO.“

Geschlechtergleichheit ist nicht nur eine Sache von und für Frauen, sie kommt auch Männern und der Gesellschaft als Ganzes zugute. Unternehmen können hier ihre soziale Verantwortung leben und selber davon profitieren. Sie können Frauen als Kundinnen gewinnen, weibliche Talente finden und halten, erfolgreichere Teams zusammenstellen und Männern den gesellschaftlichen Leistungsdruck als Familienerhalter erleichtern. Anders ausgedrückt: mehr Umsatz, mehr Fachkräfte, niedrigere Fluktuation, weniger Krankenstände, höhere Produktivität und Innovation. Das ergibt durchaus einen Business Case für gelebte Geschlechtergleichstellung. Auch wenn der Weg dorthin kein einfacher ist.

Sexuelle Belästigung ist oft sehr subtil Yara Hofbauer, Upright

EINE FRAGE DER KULTUR

Für Sabine Wagner-Steinrigl von der Gleichbehandlungsanwaltschaft beginnt Gleichstellung bei der Sprache und der Unternehmenskultur: „Wie formuliere ich ein Inserat, damit Frauen sich angesprochen fühlen?“ Und wie kann man ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Sexismus und sexuelle Belästigung keinen Platz haben? „Sexuelle Belästigung und sexistische Entgleisungen sind oft sehr subtil“, erklärt Yara Hofbauer, die mit ihrem Unternehmen Upright Schulungen zur Verhinderung von Sexismus und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz anbietet. Denn Folgen für die meist, aber nicht unbedingt weiblichen Betroffenen seien Unzufriedenheit, Angst und früher oder später ein Arbeitsplatzwechsel. Für Unternehmen bedeutet das nicht nur wirtschaftlichen Schaden, sondern auch eine schlechte Reputation als Arbeitgeber. Die Café Restaurant Mozart GmbH setzt auf Sensibilisierung. „Wir wollen Frauen und Männern, aber auch jüngeren und älteren Generationen die Scheu nehmen, als Team zu arbeiten“, so die Juniorchefin Karoline Winkler, die alle 64 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zweier Gastronomiebetriebe verpflichtend in der Arbeitszeit zur Schulung mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft geladen hat. „Wir möchten untereinander und im Gästekontakt angemessenes Verhalten ausloten. Fühlen Menschen sich in der Branche nicht wohl, gehen sie“, präzisiert sie. Die Unternehmerin hofft, durch Vorbildfunktion auch in den privaten Bereich hineinzuwirken. Respektvoller Umgang, so Karoline Winkler, sei nicht nur für Frauen wichtig, als Ausbildungsbetrieb habe sie auch Verantwortung für junge Männer.

BEWUSSTSEIN SCHAFFEN

Seit #MeToo interessierten sich zunehmend technische Unternehmen, Gastronomiebetriebe, aber auch Kultureinrichtungen für einschlägige Schulungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft. 22 waren es im ersten Halbjahr 2018 gegenüber drei im Jahr davor. Die Energie Burgenland AG, ein Unternehmen mit branchentypisch hohem Männeranteil, hat Anfang 2018 die #MeToo-Debatte aufgegriffen, um präventiv Führungskräfte- Schulungen durchzuführen. Ein Schreiben über die Null-Toleranz- Haltung des Unternehmens gegenüber sexueller Belästigung sowie – im Falle des Falles zur Verfügung stehende – Vertrauenspersonen ging an alle Mitarbeiter. „Unser Ziel war es, zu sensibilisieren, zum Schutz der Mitarbeiter und Führungskräfte proaktiv vorzugehen“, präzisiert Desiree Schorn, verantwortliche Personalmanagerin, die vorbildliche Initiative. Doch ist gelebte und kommunizierte Null-Toleranz nur die Basis am Weg zur Geschlechtergleichstellung. Wesentlich ist die Herstellung von Chancengleichheit, was allerdings voraussetzt, dass ungleiche Chancen erst einmal erkannt werden. So rät etwa Iris Bohnet in ihrem Buch „What Works. Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann“ dazu, dafür zu sorgen, dass sich unbewusste Vorurteile nicht auswirken können. Etwa durch Bewerbungsverfahren, in denen das Geschlecht der Bewerbenden verborgen bleibt. Auch Rollenvorbilder sind wichtig. So ermuntert die Autorin zu der einfachen, aber wirkungsvollen Maßnahme, Porträts von Männern und Frauen aufzuhängen. Oder bewusst die Frauenquote in Führungspositionen zu heben, um positive Rolemodels zu schaffen – für die eigenen Töchter, für einen Beitrag zur Erreichung des SDG 5: „Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen.“ Und gleichzeitig den Unternehmenserfolgs zu steigern. Ein Gewinn für alle.

Über die Autorin: Alexandra Adler ist Geschäftsführerin von WEITSICHT – büro für zukunftsfähige wirtschaft und Wiener Landessprecherin der CSR Consultants der Fachgruppe Ubit. Sie berät Unternehmen in Sachen verantwortungsvoller Unternehmensführung/CSR und forscht derzeit zum Thema Geschelchtergerechtigkeit und #MeToo in Unternehmen