Ein paar klare Worte, bitte!

Industriellenvereinigung
30.08.2012

Besuch bei Konrad Paul Liessmann an der Universität Wien. Denn der ­Philosoph der Nation befasst sich auch eingehend mit Wirtschaft und Handel. Wir fragen: Gibt es noch das Idealbild des Ehrbaren Kaufmanns,  oder sind nur mehr Schurken am Werk?
Prof. Konrad Paul Liessmann befasst sich mit den ­Auswirkungen der Konsumgesellschaft

Der Ehrbare Kaufmann sollte die Realität darstellen und kein Idealtypus sein. Dieses Konzept beschreibt jenen Handelsmann, der zwar seinen Profit im Auge hat, aber andererseits nicht über Täuschung, Vorspiegelung falscher Tatsachen und falsche Versprechen Gewinne macht. Er kalkuliert fair und verlangt für Qualität den angemessenen und Preis. Nach diesem Prinzip sollte Marktwirtschaft funktionieren.
Offensichtlich herrschen in vielen Märkten aber heute andere Sitten. Der Konsument hat das Gefühl, belogen zu werden. Man denke da etwa an die Treibstoffpreisdebatte.

Der Kunde wittert Monopole, geheime Absprachen, die den Markt verzerren und ihn prellen. Er ist aus dem Zentrum der Wahrnehmung verschwunden. Es wird heute mehr der Spekulant oder der nach Rendite hechelnde Investor wahrgenommen. Die Kritik am sogenannten Kasinokapitalismus beinhaltet eigentlich die Forderung der Rückkehr des Ehrbaren Kaufmannes. Das reale Wirtschaftsgeschehen muss wieder ins Zentrum gerückt werden und die wuchernden virtuellen Märkte, an denen nicht gehandelt, sondern gewettet wird, zurückdrängen.
Kulturgeschichtlich ist der Händler immer schon mit Skepsis betrachtet worden. Denn er ist „nur" Mittler zwischen den Produzenten und den Konsumenten, er stellt selbst nichts her, sondern erzielt seinen Profit aus dem Vertrieb. Erst im 19. Jahrhundert hat sich das Bild durch die Entwicklung der Industrialisierung geändert. Der Produzent trat in den Hintergrund, die Handelsfreiheit gehörte auf einmal zu den Grundpfeilern der liberalen Gesellschaftsordnung, das „Bespielen" der nun entstehenden Märkte wurde wichtiger als das Herstellen der Waren. Heute sehen wir die Produzenten nicht mehr. Erst durch Skandale werden wir wachgerüttelt, etwa wenn Waren unter menschenunwürdigen Bedingungen erzeugt wurden.

Vermarkten wird heute allgemein höher bewertet als die Kunst des Herstellens. Hier liegt auch eine Ursache der Wirtschaftskrise. Wir dachten, dass wir alles nach der Funktionsweise der Märkte konstruieren können. Das Leben des Menschen ist Gott sei Dank zu vielfältig und aufregend, als dass wir uns darauf reduzieren lassen können. Der Homo oeconomicus ist nur eine Fiktion.

Mittlerweile wandelt sich das Bild. Der schöne Schein, die Blendung funktioniert nicht mehr so gut. Der virtuelle Kapitalismus ist in einer Krise. Eine Öffentlichkeit entsteht. Es gibt das Interesse zu wissen, wie etwas hergestellt wird.

Es wird der Frage nachgegangen, wieso mancherorts Produzenten am Existenzminimum leben und Distributoren den Mehrwert fast zur Gänze einstreifen?
Eine Gegenbewegung ist sichtbar. Menschen wollen nicht nur als passive Konsumenten gesehen werden. Neu ist diese Erkenntnis aber auch nicht. Schon der große Philosoph Sokrates hat im fünften Jahrhundert v. Chr. beim Spazieren über den Markt von Athen gemeint: Da gibt es viele Dinge, die ich nicht brauche. Seit es Märkte gibt,  gibt es auch die Frage danach, was wirklich wichtig ist im Leben.