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Respact
02.05.2016

Große Unternehmen müssen ab 2017 auch nicht-finanzielle Daten offenlegen. Über die Lieferkette wird wohl auch der Mittelstand gefordert sein. Worauf er sich einstellen kann, haben wir bei der Unternehmerin Ursula Simacek nachgefragt, die als Präsidentin von respACT in die Vorbereitung des Gesetzes involviert war.  

„Im Zuge der Lieferkette  kann es vorkommen, dass  auch kleinere Unternehmen indirekt betroffen sind.“
„Im Zuge der Lieferkette  kann es vorkommen, dass  auch kleinere Unternehmen indirekt betroffen sind.“

Im Sommer 2016 wird ein Gesetz verabschiedet, das Unternehmen zur Offenlegung sozialer und ökologischer Aspekte verpflichtet. respACT war als einzige NGO zur Arbeitsgruppe eingeladen, die bis Ende 2015 Vorschläge dazu ausgearbeitet hat. Wen betrifft das Gesetz? 
Von der Richtlinie sind Unternehmen betroffen, die von öffentlichem Interesse sind. Das sind zum Beispiel börsennotierte Unternehmen sowie Banken. Gleichermaßen betroffen sind Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen und eine Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro und/oder Umsatzerlöse über 40 Millionen Euro aufweisen.  

Das dürften in Österreich, mit seiner mittelständischen Struktur, nicht besonders viele Unternehmen sein.
Laut Schätzungen sind in Österreich rund 200 Unternehmen von der Offenlegung nicht-finanzieller Informationen betroffen. Es könnten darüber hinaus aber noch weitere Unternehmen zur Berichterstattung verpflichtet werden. 

Mutmaßlich werden sich auch kleinere Unternehmen, die Lieferbeziehungen zu den betroffenen Unternehmen haben, mit dem Gesetz auseinandersetzen müssen. Was bedeutet das für diese? 
Im Zuge der Lieferkette kann es durchaus vorkommen, dass auch kleinere Unternehmen indirekt betroffen sind. Es wird sich aber um keinen ausufernden Berichtsprozess handeln, vielmehr wird es um Daten gehen, die besonders relevant sind. Viele KMU müssen ja auch jetzt schon berichten: zum Beispiel, ob sie Gefahrenstoffe verwenden oder zertifiziert sind.

Was genau muss denn nun berichtet werden und wie? 

Betroffene Unternehmen informieren über Konzepte, Ergebnisse und Risiken in Bezug auf fünf Aspekte: Umweltbelange, ­Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte, Korruption und Bestechung sowie Diversität. Insbesondere wird über jene Belange berichtet, die in Verbindung mit ihrer Geschäftstätigkeit besonders relevant sind. Es besteht die Möglichkeit, dass spezielle Berichtsrahmen vorgeschrieben werden, beispielsweise GRI G4. Die Unternehmen können die Informationen direkt im Lagebericht veröffentlichen oder einen gesonderten Bericht verfassen. 

Unternehmen sind meistens über neue bürokratische Aufgaben nicht gerade happy. Welche positiven Aspekte können Sie selbst als Unternehmerin der neuen Verpflichtung abge­winnen? 
Ich finde generell, dass die Erfassung von Nachhaltigkeitskennzahlen in das Risikomanagement der Unternehmen gehört. Unternehmen, die diese Informationen bisher noch nicht erfasst und bewertet haben, hinken ihrer Verantwortung hinterher. Wichtig ist mir aber, dass den Unternehmen die nötige Flexibilität zugestanden wird, auf jene Belange besonders einzugehen, die sie wirklich betreffen. Ich denke, dass es auch für viele Unternehmen wertvoll ist, im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit ihren Anspruchsgruppen in Dialog zu treten und Einblicke in die Sicht von außen zu gewinnen. 
Diese Zeitinvestition kann sich auch im ganzheitlichen Sinne des Geschäftserfolges positiv auswirken.

Welches politische Ziel steckt hinter der Maßnahme? 
Die EU möchte damit zu mehr Transparenz beitragen. Darüber hinaus dient das Gesetz dazu, Nachhaltigkeit sichtbar zu machen. Damit einher geht ein höherer Stellenwert von CSR – was wir sehr begrüßen.

Wie viel Aufwand bedeutet die Richtlinie nun für Unter­nehmer? 
Wir können den Aufwand, der laut Richtlinie vorgeschrieben wird, noch nicht abschätzen. Wenn es – und das ist ja für die Unternehmen, die das bisher noch nicht getan haben sehr empfehlenswert – zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema kommt, braucht es schon einiges an Ressourcen. Wenn man beispielsweise einen ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht aus den Informationen, die vorgeschrieben sind, zusammenstellt. Es ist nichts, was ein Mitarbeiter einfach nebenbei erledigen kann. Eine große Rolle spielt dabei die Planung im Vorfeld. Dadurch kann der Berichtsprozess effizient gestaltet werden. Man gewinnt aber gleichzeitig tiefe Einblicke in die Risiken und Chancen für das Unternehmen. Wenn es gelingt, dieses neue Wissen strategisch zu nutzen, ist es kein Aufwand, sondern eine Investition. 

Wo sind aus Ihrer Sicht Probleme vorprogrammiert? Welche Vorschläge haben Sie eingebracht? 
Dass Probleme vorprogrammiert sind, glaube ich nicht. Diskussion gab es beispielsweise darüber, ob ein eigener österreichischer Kodex zur Nachhaltigkeitsberichterstattung geschaffen werden soll. Wir haben uns dagegen ausgesprochen, weil die internationale Anschlussfähigkeit dadurch nicht gegeben wäre. Ein eigener Kodex müsste außerdem erst entwickelt und ständig auf dem Laufenden gehalten werden. Dabei handelt es sich um einen großen Aufwand, der gar nicht nötig ist. GRI G4 zum Beispiel wurde in einem Multi-Stakeholderprozess entwickelt und hat damit eine breite Legitimationsbasis. Der Leitfaden wurde außerdem häufig genutzt und ist weit verbreitet. Diskutiert wurde auch darüber, ob weitere Unternehmen zur Berichterstattung verpflichtet werden sollen. Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass auch Unternehmen im Staatseigentum ab 
500 Mitarbeitern berichten sollten. Denn sie haben eine wichtige Vorbildfunktion. 

Wie stehen die Chancen, dass ein Gesetz rauskommt, mit dem alle zufrieden sind? 
Es gab eine öffentliche Konsultationsphase, jeder konnte zur EU-Richtlinie Stellung beziehen. respACT hat diese Chance wahrgenommen und wurde anschließend als einzige NGO zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe des Justizministeriums eingeladen. Wir haben uns dann sehr dafür eingesetzt, dass es für die Unternehmen genügend Flexibilität geben wird, dass sie darüber berichten können, was für sie besonders relevant ist. Wir haben uns auch dafür eingesetzt, dass die Unternehmen das Rahmenwerk selber aussuchen können.   
Wir haben den Unternehmen auch empfohlen, dass GRI G4 als Orientierung verwendet wird, weil man damit international anschlussfähig ist. Aktuell wird der Gesetzestext verfasst. Mit Sommer 2016 soll das Gesetz veröffentlicht werden, und 2017 tritt es in Kraft. Dann wird es ernst.